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Die neue DGUV Regel 112-190

Anpassungsüberprüfungen (Dichtsitzprüfungen) in der Praxis

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat durch das Sozialgesetzbuch VII § 1 die Aufgabe übertragen bekommen „mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten“.

Damit die DGUV ihre präventive Aufgabe erfüllen kann, wird ihr in § 15 SGBVII zugesprochen, dass sie „als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften über Maßnahmen zur Verhütung […] oder für eine wirksame Erste Hilfe erlassen“ kann.

Die DGUV hat daher ein umfassendes Regelwerk, das sich an Arbeitgeber richtet und ihnen Hilfestellung zur Erfüllung ihrer Pflichten aus staatlichen Arbeitsschutzvorschriften bzw. den Unfallverhütungsvorschriften gibt, entwickelt. Das DGUV Regelwerk umfasst DGUV Vorschriften, die als autonomes Recht für Arbeitgeber verbindlich sind. Die Vorschriften werden durch DGUV Regeln ergänzt. Diese sind Hilfestellung und präsentieren Präventionsmaßnahmen, die über die verpflichtenden Vorschriften hinaus gehen. Sie berücksichtigen technische Spezifikationen und Erfahrungswissen aus der Praxis. Sie geben fachliche Empfehlungen und beschreiben konkrete Präventionsmaßnahmen, die bereichs-, arbeitsverfahrens- oder arbeitsplatzbezogen sind. Die DGUV Regeln sind daher als Richtschnur für Betriebe geeignet. „Bei Einhaltung der dort gegebenen Empfehlungen kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er geeignete Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren getroffen hat.“ [i]

DGUV-Regel 112-190

Die DGUV Regel 112-190 erläutert die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ in Bezug auf die Benutzung von Atemschutzgeräten unter Berücksichtigung von atemschutzgerätespezifischen DIN- und EN-Normen. Das bedeutet, dass unter anderem die DIN EN 529 „Atemschutzgeräte – Empfehlungen für Auswahl, Einsatz, Pflege und Instandsetzung“ in die DGUV Regel 112-190 einfließt. Die DGUV Regel 112-190 betrifft dabei alle Atemschutzgeräte für Arbeit, Rettung und Flucht.

Die verschiedenen Atemschutzgeräte

In der DGUV Regel werden verschiedenen Arten von Atemschutzgeräten behandelt, die unterschiedliche Funktionsweisen haben. Filtrierende Atemschutzgeräte stellen dem Träger durch Filtration der Umgebungsluft, gereinigte Atemluft zur Verfügung. Luftversorgende Geräte hingegen sind an eine stationäre und/oder tragbare Sauerstoffzufuhr angeschlossen, sodass die Atemluft unabhängig von der Umgebungsluft ist.

Einteilung der AtemschutzgeräteWährend die filtrierenden Atemschutzgeräte ohne Gebläse immer als geschlossener Atemanschluss in Form einer Atemschutzmaske ausgeführt sind, gibt es die filtrierenden Geräte mit Gebläse sowie die luftversorgenden Geräte in Ausführung mit geschlossenem Atemanschluss oder offenem Atemanschluss (Haube, Helm): Nähere Informationen zu den verschiedenen Arten von Atemschutz können in den TSI® Anwendungshinweisen RFT-039 und RFT-040 gefunden werden.

Geschlossene/dichtsitzende Atemanschlüsse besitzen eine definierte Dichtlinie. Zu den geschlossenen Atemanschlüssen zählen die Vollmasken, bei denen die Dichtlinie über Stirn, Wangen und unterhalb des Kinns verläuft. Auch Halb- und Viertelmasken haben eine definierte Dichtlinie, die über den Nasenrücken, die Wangen und unterhalb bzw. oberhalb des Kinns verläuft.

Passform von Atemschutzmasken

Entscheidend bei der Verwendung von Atemschutzmasken ist die Passform, (also der Dichtsitz der Maske). Bei filtrierenden Atemschutzgeräten ohne Gebläse, (also einer Atemschutzmaske mit Filter), stellt die Filtration die einzige Schutzfunktion dar. Damit die Atemluft ausreichend gefiltert wird, bedarf es neben einer guten Filterqualität auch dem dichten Sitz, ohne den wir anstatt durch, um den Filter herum atmen würden (Weg des geringsten Widerstands). Bei Atemschutzgeräten mit aktiver Luftzufuhr besteht die Schutzfunktion aus zwei Aspekten: Zum Einen dem Überdruck, der in der Maske entsteht, zum Anderen dem Dichtsitz, der im Fall eines unzureichenden Überdrucks schützt. „Wenn der vorgesehene geschlossene Atemanschluss der Person nicht passt, bietet das Atemschutzgerät keinen wirksamen Schutz.“ [i]

Der Dichtsitz einer Atemschutzmaske wird durch eine Vielzahl an Faktoren beeinflusst:

  • Individuelle Kopfform (z. B. fliehendes Kinn oder Stirn, ausladende Wangenknochen)
  • Tiefe Narben
  • Körperschmuck (z. B. Piercings)
  • Kopfhaare (z. B. tief liegender Haaransatz)
  • Bartstoppeln, Bart, Koteletten

Wird die Dichtlinie des Atemanschlusses durch einen dieser oder aus einem anderen Grund unterbrochen, so ist der Atemanschluss ungeeignet für den Träger. Die Passform einer bestimmten Atemschutzmaske muss daher individuell an der Person überprüft werden. Die Überprüfung der Passform wird in der DGUV Regel als „Anpassungsüberprüfung“ eingeführt.

Die Anpassungsüberprüfung

… auch Dichtsitzprüfung genannt, „ist ein Verfahren, um die Passgenauigkeit zwischen der atemschutzgerättragenden Person und dem jeweiligen Atemanschluss zu ermitteln.“ [i]

Die Überprüfung wird vor dem erstmaligen Gebrauch eines Atemschutzgeräts durchgeführt. Sie muss wiederholt werden, wenn sich Maske, Gesicht oder Hals der Person ändert. Die Dichtsitzprüfung soll von einer dafür nach DGUV Grundsatz 312-190 ausgebildeten Person angeleitet werden. Es stehen für die Prüfung zwei verschiedene Methoden zur Verfügung, die qualitative und die quantitative Anpassungsüberprüfung.

Für die konkrete Durchführung der Dichtsitzprüfung verweist die DGUV Regel 112-190 auf die Norm ISO 16975-3, welche seit 2022 auch als DIN ISO 16975-3 vorliegt.

Qualitative Anpassungsüberprüfung nach DGUV Regel 112-190

Die qualitative Dichtsitzprüfung kann für partikelfiltrierende Halbmasken, Viertel- und Halbmasken verwendet werden. Innerhalb dieser Methode benennt die DGUV Regel zwei Verfahren:

Mit Unterdruck Mit Aerosol

Mit Unterdruck

  • Geräteanschlussstück (am Filteranschluss) mit der/den Handfläche/n verschließen
  • Keinen Druck ausüben oder die Maske anpressen!
  • Einatmen und Luftanhalten: Unterdruck entsteht & muss für 10 Sekunden erhalten bleiben
  • Bei FFP-Masken nur eingeschränkt möglich! Filterfläche kann nicht vollständig abgedeckt werden
  • Person (Atemanschluss angelegt) in mit Aerosol angereicherter Atmosphäre
    • Geschmacks- oder Geruchsstoffe, z. B. Bananenöl oder Saccharinlösung
    • Voraussetzung: Geruchs-/ Geschmackstoff kann wahrgenommen werden
  • Werden Stoffe wahrgenommen ⇒ Atemanschluss bietet nicht die erforderliche Schutzwirkung

Mit Aerosol

 

Quantitative Anpassungsüberprüfung

Die quantitative Dichtsitzprüfung kann für alle geschlossenen Atemanschlüsse verwendet werden, (also auch für Vollmasken). Insbesondere, wenn der Atemschutz gegen Stoffe mit hohem Gefährdungspotential, akut toxischen (Kategorie 1 und 2) oder CMR-Stoffen eingesetzt wird, ist das quantitative Verfahren zu bevorzugen.

Messung bei der quantitativen DichtsitzprüfungDie quantitative Dichtsitzprüfung wird mit Hilfe des „Quantitativen Dichtsitzprüfverfahrend mit Kondensationskernzähler(CNC) für Umgebungsaerosol“* * durchgeführt. Bei diese Verfahren wird die Konzentration von Partikeln innerhalb der Maske und in der Umgebung gemessen. Mit diesen Werten wird der sogenannte Fit-Faktor, Umgebungs- zu Innenkonzentration, berechnet, der größer als der erforderliche Fit-Faktor sein muss. Die DGUV Regel 112-190 gibt für FFP- und Halbmasken einen erforderlichen Fit-Faktor von 100 an, währen für Vollmasken und geschlossene Atemschutzanzüge ein Wert von 2000 erreicht werden muss.

Dichtsitzprüfung in der Praxis

Vergleicht man die Beschreibungen der DGUV zu Dichtsitzprüfungen mit anderen Regelwerken und der Praxis, fallen einige Unterschiede mit teils entscheidender Bedeutung auf. Der erste Unterschied bezieht sich auf den Begriff der Anpassungsüberprüfung. Die Bezeichnung ist eine Übersetzung des englischen Begriffs „Fit Test“. Allerdings wird diese Bezeichnung von anderen Organisationen wie z. B. der DIN anders übersetzt. In der Praxis am weitesten verbreitet ist die Bezeichnung „Dichtsitzprüfung“, der auch in der DIN ISO 16975-3 verwendet wird, auf die die DGUV Regel verweist.

Quelle Begriff
In der DGUV Anpassungsüberprüfung
Aus dem Englischen Fit Test
Im Deutschen Dichtsitzprüfung (z.B.: DIN ISO 16975-3)
selten: Anpassungsprüfung (nur DIN EN ISO 16972)

Ein weiterer Unterschied lässt sich bei der Bezeichnung des quantitativen Prüfverfahrens feststellen. Während in der DGUV der Begriff Partikelzählmethode verwendet wird, ist dieser technisch gesehen nur ein Überbegriff und beschreibt nicht eindeutig das zu verwendende Messverfahren. Die DIN ISO 16975-3 definiert die zu verwendende Messmethode eindeutig als Verfahren mit Kondensationskernzähler (CNC).

Quelle Begriff
In der DGUV Partikelzählmethode
Technisch Überbegriff – keine eindeutige Beschreibung des Messverfahrens
DIN ISO 16975-3 Quantitatives Dichtsitzprüfverfahren mit Kondensationskernzähler(CNC) für Umgebungsaerosol
Gerät: CNC-Zähler

Ein ganz entscheidender Unterschied zwischen der DGUV Regel 112-190 und der DIN ISO 16975-3 besteht in den möglichen Verfahren zur qualitativen Dichtsitzprüfung. Hier besteht ein Widerspruch zwischen beiden Dokumenten. In der (DIN) ISO 16975-3 ist festgelegt, dass Dichtsitzprüfungen nur mit den in der (DIN) ISO 16975-3 beschriebenen Verfahren durchgeführt dürfen. Die qualitative Dichtsitzprüfung wird in der DIN ISO 16975-3 so definiert, dass ein Aerosol verwendet wird, dass geschmeckt werden oder beim Einatmen eine Reaktion hervorrufen kann. Das qualitative Dichtsitzprüfverfahren mit Unterdruck, so wie sie in der DGUV Regel 112-190 beschrieben ist, ist nach DIN ISO 16975-3 also kein Dichtsitzprüfverfahren.

Dieses Verfahren wird jedoch trotzdem aufgeführt, da in der DIN ISO 16975-3 der sogenannte „Fit Check“ definiert wird. Dieser sei eine Handlung zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Anlegens (Vorkontrolle), sei Teil dessen was in der Dichtsitzprüfung geprüft wird und müsse nach Vorgaben des Maskenherstellers durchgeführt werden.

Das in der DGUV beschriebene Verfahren „Qualitative Anpassungsüberprüfung mit Unterdruck“ ist nach ISO 16975-3 kein Fit Test sondern ein Fit Check!

Die Maskenhersteller beschreiben den Fit Check als Dichtsitzkontrolle, die den letzten Schritt des Anlegeprozesses darstellt und somit in den Gebrauchsanweisungen der Masken beschrieben ist. Die Beschreibungen decken sich dabei mit der Beschreibung der Prüfung mit Unterdruck in der DGUV Regel 112-190. Beispiele von Masken und Maskenherstellern, bei denen diese Anleitung zum Fit Check in der Gebrauchsanweisung gefunden werden kann, sind Folgende**:

Anlegeprozess FFP-Maske

Abbildung: Darstellung der Schritte aus dem Anlegeprozess einer FFP-Maske

 

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[i] https://www.dguv.de/ifa/fachinfos/regeln-und-vorschriften/erlaeuterungen-zum-regelwerk/index.jsp Zuletzt abgerufen am: 08.11.2022

[i] DGUV Regel 112-190 S. 52

[i] DGUV Regel 112-190: Kap. 2 Begriffsbestimmungen

*In der DGUV wird der uneindeutige Begriff „Partikelzählmethode“ verwendet, siehe dazu das nächste Kapitel.

**Die Nennung dieser Hersteller und Maskenmodelle stellt keine Empfehlung dar, sondern dient lediglich als informatives Beispiel des Fit Checks.